Page 11 - Wolfgang A. Gogolin: Als Jesus aus den Wolken fiel
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Gretel riss sich ein Stückchen Gourmetgras aus der Wiese, dann sah
            sie langsam hoch zum Deich. Alles schien ruhig. Ohne Fliegen herrschte
            sogar Stille. Keine Möwe am Himmel. Selbst der Ostwind war nicht mehr
            zu hören. Was die Schwarzbunte sah, hatte sie noch nie gesehen. Erschre-
            cken im Blick. Große Kuhaugen. Die Kaubewegungen setzten aus. Null
            Bewegung. Noch nicht einmal ein Zwinkern. Was war das? Das Rinder-
            hirn versuchte eine Einordnung. Gefahr oder Bereicherung? Der Darm
            entschied. Gretel hob den Schwanz und entließ einen Schwall an Dünn-
            flüssigem. Ein riesiges Festmahl für sämtliche Naschkatzen an Zweiflüg-
            lern aus Dithmarschen und Umgebung. Das Fazit aus der Darmtragö-
            die: Schwarzbunte waren eindeutig arme Teufel und Goethe hatte richtig
            gelegen.



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            Hermann hatte  Molly vom Rücksitz  geholt  und klappte  die  Tür des
            Wagens zu. Der alte Peugeot ächzte.
              »So, meine Süße, jetzt gehen wir zusammen ein Stückchen. Zu Peterle
            und seiner Frau.«  Molly tat  nichts,  außer sich tragen  zu lassen.  Her-
            mann setzte Molly auf dem Parkplatz ab und befestigte die Leine. »So,
            meine Süße, es geht los. Bewegung ist Leben. Noch sind wir beide hier,
            also müssen wir laufen.« Molly, eine Havaneserin im fortgeschrittenen
            Alter, schätzte das Laufen durchaus, auch wenn ihre Lauffreudigkeit im
            Senium nachgelassen hatte und der Akku durch Pausen aufgeladen wer-
            den musste. Heute früh war sie beim Hunde-Coiffeur gewesen. Waschen,
            schneiden, föhnen. In nichts stand sie hierbei einer Menschenfrau nach.
            Molly mochte ihre Friseurin. Die Frau im Salon gab ihr immer ein Lecker-
            chen zum Abschluss. Minikauknochen aus Hühnchen – was für ein Ser-
            vice. Frisch gekürzt, mit schwarzen Knopfaugen und braungrauem Fell
            machte die Hundedame immer noch Staat, wenngleich das Schnäuzchen
            bereits grau schimmerte. »In einer halben Stunde sind wir da; wenn wir
            schneller Laufen, in zwanzig Minuten. Antje hat bestimmt was für dich.
            Ist das nicht schön?« Keine Antwort von Molly. Oder gab es da ein Fun-
            keln in den Augen? Hermann unterhielt sich weiter. »Ich ein Bierchen


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