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Leseprobe Nr. 1

Wie befreit von einer langen, großen Last, heiter und beglückt gingen Alfred und
Gerhard durch die menschenleeren nächtlichen Straßen und den Hügel hinauf zu
ihrer Behausung.

»Ich habe in Winniza gesehen, wie sie 9000 unschuldige Menschenerschossen, weil
sie Juden oder Parteimitglieder waren! Männer, Frauen, Kinder, selbst Säuglinge!
Sie mussten sich ihr Grab selbstschaufeln und die Kleider ablegen, bevor sie
niedergemäht wurden. Seitdem weiß ich, dass es heilige Menschenpflicht ist, die
Macht dieser Bestien zu brechen, alles zu tun, dass diese Mörderbande fällt!«

Während er das sprach, erinnerte sich Alfred des schlesischen Bauernsohnes bei der
SS, der selbst Familienvater war und es dennoch fertiggebracht hatte, ihm im
Urlauberzug zu erzählen: »Weißt du, auf Kinder muss man öfter schießen! Sie
haben so weiche Knochen und sterben so langsam.«

»Da gilt auch ein Eid nichts mehr«, sagte Gerhard.
»Schon gar nicht ein erzwungener!«
Gespannt verfolgten Alfred und Gerhard in den folgenden Tagen die
Funklagemeldungen. Hatten sie Erfolg mit ihrer Warnung?
Wurden die Schlüssel geändert, so dass nichts mehr zu entziffern war?

Die Woche verging, es änderte sich nichts. Endlich kam der Kleine zurück. Er
gestand, dass er bei seiner Ankunft im Walde das meiste von den ihm fremden
Dingen vergessen hatte und dass seinen Worten wenig Glauben geschenkt worden
war.

Gab es denn so etwas, wie er da berichtete? Man wollte erst Genaueres hören und
gab ihm einen Mann mit, der alles aufnehmen sollte. Das war ein junger Jurist aus
Belgrad, der in Frankreich studiert hatte. Er kam mit nach Kraljevo, wurde ein
kleiner Postangestellter, stempelte Briefe und hielt die Augen offen.

Von allen Seiten kamen ihm Nachrichten zu, die er sichtete und weitergab. Er
lernte rasch Alfred und Gerhard kennen, die ihm alles haarklein erklärten. Er bat
um Unterlagen.

Alfred und Gerhard schrieben die Rufzeichen und Wellenlängen der Funkstellen
ab, erbrachen nachts die Kanzlei und stahlen Abschriften von Funksprüchen,
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