Page 5 - leseproben
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Eine Trommel rollte dumpf und drohend. Rot glühte der Himmel im Osten und
eine gewaltige Helle stieg über die Niederungen des Tales herauf und entbrannte
wie flüssiges Eisen über den Bergen.

Die Trommel schwieg. Mit hastigen Worten verlas einer das Todesurteil und die
Ablehnung des Gnadengesuches. Der Pfarrer beugte sich vor und flüsterte Gerhard
Bibelworte zu. Der aber stand aufrecht, wie geistesabwesend und hielt den Blick
dem Licht zugekehrt.

Mit geübten Händen rissen die Gendarmen den Rock von Gerhards Schultern, so
dass er im weißen, kragenlosen Hemde stand und warfen ihm den Strick um den
Leib, der ihn an dem Pfahl festbinden sollte.

Als sie ihm ein weißes Tuch über die Augen schlugen, schüttelte er den Kopf und
sagte laut und ruhig: »Muss das sein? - Ich will die Sonne sehn!« Dabei lehnte er
das blonde Haupt an den schwarzen Pfahl zurück, seitwärts, so dass er die feurige
Röte des Morgens sehen konnte, die über Bäumen und Hecken flammte.

Noch nie war Serbien so voll Pracht und Schönheit gewesen, wie in diesem
Augenblick! In hunderttausend Perlen glänzte der Tau in überirdischem Licht,
golden erglühten die reifenden Äpfel in den dunkelgrünen Betten der Bäume,
blaue Trauben hingen schwer und süß in den Hecken und Gärten und hoch in den
feurigen Himmeln sangen die Lerchen!

Da sprang ein ungeheures, riesiges Tor, siegreich die Sonne über dem Horizont
auf! Gerhards Mund lächelte ...

»Feuer!«

Die Salve krachte. Elf Kugeln rissen das Herz ins zerfetzte Gras, hoch auf bäumte
sich der Körper, fiel dann vornüber und hing, vom Strick am Fall gehindert, frei
über der braunen Erde. Dunkel und rasch floss das Blut ...
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