Page 8 - DRACHENFLUG - Die Fabel vom Drachen des Regenbogens (Sylvia Grünberger, Karina Pfolz)
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Wozu brauchte er überhaupt einen Babysitter?
Schließlich war er kein Baby mehr, sondern ein zehn-
jähriger Junge! Praktisch fast schon elf! Falls man die
fehlenden fünf Monate nicht berücksichtigte.
Wenn seine Eltern ausgingen, konnte er heimlich
und ungestört das Abendprogramm ansehen. Seit er
das herausgefunden hatte, waren die Proteste gegen ein
abendliches Alleingelassenwerden ohnehin nur mehr
reine Formsache gewesen. Leider hatte seine Mutter
die Sache durchschaut. Es war ja auch wirklich Pech,
dass er einmal ausgerechnet bei einem Horrorfilm ein-
geschlafen war. Andererseits ließen ihn seine Eltern
ohnedies nur sehr selten allein und es war nicht einzu-
sehen, weshalb er derartige Gelegenheiten nicht aus-
nützen sollte.
Diesmal jedoch war seine Mutter ernsthaft besorgt
gewesen, ihren kranken Buben allein zu Hause zu las-
sen. Und Thomas, der sich miserabel fühlte, hatte ihre
Besorgnis mit wehleidigem Klagen kräftig geschürt.
Letztlich entpuppte sich die Feier des Herrn Bösendor-
fer offenbar als wichtiger, denn die Erkältung des
Sprösslings. Völlig unverständlich! Obwohl der Chef
seines Vaters, eben dieser Bösendorfer, angeblich
Urheberrechtlich geschütztes Material
kleinlich und eingebildet war, hatte man ihn eindeutig
bevorzugt! Und dem armen, kranken Jungen einfach
eine chinesische Medizinstudentin auf den entzündeten
Hals gehetzt. Die reinste Verschwörung. Wenn man
krank war und sich elend fühlte, wollte man liebgehabt
und bedauert werden, nicht von einer fremden
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