Page 10 - Elfriede Kerschbaumsteiner erzählt: Vom Brauchtum und vom Leben
P. 10
Erinnerungen ans Zuhause
Einprägsam waren mir die Mahlzeiten am großen Esstisch: Wenn alle in der Stube waren, die
Suppe am Tisch stand, wurde stehend das Tischgebet gesprochen, danach setzte man sich. Ich,
damals die Jüngste, durfte neben meinem Vater sitzen. So konnte er mich auch genau
beobachten. Den Esslöffel nahm ich nämlich in die linke Hand. Ein leichter Klopfer mit der
Faust vom Vater auf den großen Stubentisch und mein Löffel war schnell in der rechten Hand,
damals die schöne Hand genannt. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Kinder ihr Essbesteck
richtig handzuhaben und sich gesittet zu benehmen lernten.
Die Familie bestand aus den Eltern, uns fünf Kindern und meist vier bis sechs Dienstboten,
die alle um den großen Tisch Platz fanden. Dies änderte sich später von Jahr zu Jahr, als meine
Geschwister älter und zur Arbeit herangezogen wurden. Dadurch konnte ein Knecht oder eine
Magd eingespart werden. Ende 1940 wurde noch meine Schwester Burgi geboren.
Erstaunlich finde ich, dass man bestimmte Gerüche oder Geräusche aus Kindertagen in
Erinnerung behalten kann. Zum Beispiel lag ich im Elternschlafzimmer alleine im Gitterbett,
die Fenster waren damals nur einfach verglast – das Singen des Windes kam mir mehrstimmig
und dadurch unheimlich vor. Meine Phantasie gaukelte mit so etwas wie die wilde Jagd vor.
9