Page 13 - Renate Zawrel: Zuckerwatte und Christbaumherz
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bei den Stationen dauerte es eine Weile, ehe die Fahrgäste sich so weit
ins Wageninnere geschoben hatten, dass die Türen sich schlossen. Es
ging also für Ungeduldige nur langsam voran.
Das Gedränge nervte Daniel Mit zusammengepressten Lippen ertrug
Urheberrechtlich geschütztes Material
er diese Fahrt bis zur Haltestelle Rathaus. »Nur ’raus hier«, zischte er
Martha zu, die sich an ihm festhielt, bahnte sich für sie beide einen
›Fluchtweg‹ durch die scheinbar Widerstand leistende schwer
bewegliche Menschenmasse und dann standen sie endlich aufatmend
in der kalten Winterluft.
Der Christkindlmarkt sah so anders aus, wenn die Verkaufsstände
noch geschlossen waren. Lediglich der wunderschöne Baum vor dem
Rathaus büßte nichts von seiner majestätischen Ausstrahlung ein.
Auch den ›Herzerlbaum‹ konnte man vor hier aus sehen.
Marthas Stimmung sank augenblicklich ins Melancholische ab.
»Vielleicht steht David unter diesem Baum und wünscht sich etwas.«
»Hättest du nur nicht zugelassen, dass ihm die Verrückte solchen
Schwachsinn erzählt«, knurrte Daniel gereizt.
»Hättest du nur Zeit für deinen Sohn gehabt«, konterte Martha.
Darauf fand der Neffe keine passende Antwort. »Gehen wir erst mal
zum Stand«, lenkte er ab und hinkte voraus. Unterwegs befragte er die
Mitarbeiter der Straßenreinigung, die dafür sorgten, dass die
Hinterlassenschaften des vergangenen Abends entsorgt wurden –
Papierstanitzel, Zuckerwattestäbchen, Plastiklöffelchen und jede Menge
Zigarettenstummel. Aber die Männer hatten kein Kind bemerkt.
Auch der Hoffnungsschimmer, David beim Stand des alten Jakob zu
finden, schmolz dahin wie die Schneeflocken auf Marthas und
Davids Gesicht. Sie legten eine glitzernde Decke über die Wege und
erinnerten permanent daran, dass ein kleiner Junge irgendwo frierend
umherirrte.
Nachdem Martha den ›Schnuppel-Stand‹ dreimal erfolglos umrundet
hatte, hielt Daniel sie genervt auf. »Auch wenn du einen Graben
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