Page 7 - Wolfgang A. Gogolin: Als Jesus aus den Wolken fiel
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Wahlspruch stand unsichtbar im Raum: Ich bin der Erste, ich krieg das
Erste, runter damit. Der Wirt hob das Glas gegen das Licht. Es schim-
merte. Der cremige Stickstoffschaum stand. Er prostete dem noch leeren
Gastraum zu und nahm einen kräftigen Schluck. Flüssige Stressreduktion
rann. Herrlich! Peter Bruns setzte das Glas ab und besah sich die dunkle
Schönheit von allen Seiten. Was nun? Langsam oder schnell austrinken?
Die Gier entschied: Einfach runterzischen und genießen. Wer war Antje?
Was waren Frikadellen? In welcher Jahreszeit lebte er gerade? Die perfekte
Balance zwischen süß und herb eroberte seine Geschmacksknospen. Be-
mächtigte sich aller Sinne und entspannte seinen Leib. Ganzkörper yoga
für echte Kerle. Im Vollbart verfing sich etwas vom Schaumkrönchen.
Leben konnte wundervoll sein. Der Mann, dessen Krise einen weiblichen
Vornamen trug, setzte das Glas ab und fühlte, wie der Nachhall des Biers
durch ihn perlte. Irgendetwas war da doch noch? Der Wirt wischte den
Guinnessschaum vom Bart und kratzte sich an der Stirn. Tiefenentspannt
fiel ihm seine wichtige Frage wieder ein: Wo blieb eigentlich Antje?
***
Umrahmt von Nordsee, Eider und Elbe, bot Dithmarschen mit saftigen
Weiden, schwarzbunten Kühen und reetgedeckten Bauernhöfen ein idyl-
lisches Landleben. Von wahren Kennern als Bauernrepublik bezeichnet,
bildete Dithmarschen nicht nur einen Teil Schleswig–Holsteins, sondern
galt unter Liebhabern als Filetstück des Landes.
Aus dem Filet war ein Menschenschlag erwachsen, dessen uneinge-
schränkte Meinung und direkte Wortwahl ihresgleichen suchten. Dieses seit
Jahrhunderten freie Land lag unter einem Himmel, der bis in die letzte Erd-
furche kroch und dabei in allen möglichen Farben erschien. Selbst Maler
von Rang und Namen hatten mit der Schwierigkeit gekämpft, die Farbpa-
lette des Landstrichs annähernd wiederzugegeben. Himmelblau war noch
die simpelste Farbe. Blaugrüngrau, Anilinblau, Zinnoberorange, Grünspan
bis Chinchillagrau, je nach Stimmung des Wetters. Über allem wehte oft ein
kühler Meereswind, der den Kopf klar machte für Antworten, die weit in
der Ferne lagen und für Fragen, die noch nicht gestellt worden waren.
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