Page 10 - DRACHENFLUG - Die Fabel vom Drachen des Regenbogens (Sylvia Grünberger, Karina Pfolz)
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schwarze Hosen trugen und in Chinarestaurants arbei-
            teten.  Bei  ihnen  bestellte  man  die  Speisen  nach  der
            Nummer und sie fragten stets dienstbeflissen: »Sie mö-
            gen geblatenen Leis dazu?«
               Seine chinesische Aufpasserin war  weder  lampen-
            schirmbehütet  und  in  besticktes  Glänzendes  gehüllt,
            noch  schwarz-weiß  gekleidet,  sondern  trug  meistens
            verwaschene Jeans und T-Shirts. Man brauchte auch
            nicht in Form von Zahlen mit ihr zu reden, was immer-
            hin  lustig  gewesen  wäre.  Sie  sprach  ausgezeichnet
            deutsch und konnte sogar ein »R« aussprechen.
               Na ja, sie kam auch nicht direkt aus China, sondern
            aus Salzburg. Jedenfalls lebte ihre Familie dort. Das
            hatte ihm seine Mutter erzählt und auch, dass diese Stu-
            dentin ein so nettes, freundliches und sehr, sehr höfli-
            ches Mädchen wäre. Eines von diesen Musterbeispie-
            len sozusagen. Die einem immer vorgehalten wurden.
            Die  Betonung  lag  dann  dabei  auf  so  freundlich  und
            sehr höflich!
               Eigentlich  musste  man  das  direkt  ausprobieren.
            Wenn sie tatsächlich so freundlich war, besaß sie si-
            cherlich  die  Freundlichkeit,  ihm  etwas  Frisches  zum
            Trinken zu bringen.
                                                  Urheberrechtlich geschütztes Material
               Wie hieß sie denn bloß? Es war etwas mit Ei gewe-
            sen. Ei-Ei? Nein! Oder war es Ling? Ping-Ling? Auch
            nicht. Wie sollte man denn jemanden rufen, wenn man
            seinen Namen verschwitzt hatte?
               »Fräulein Pink-Ei oder Ei-Zwei!«, krächzte Thomas
            halblaut.


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