Page 11 - DRACHENFLUG - Die Fabel vom Drachen des Regenbogens (Sylvia Grünberger, Karina Pfolz)
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Das war natürlich viel zu leise. Damit lockte man
            niemanden vom Fernseher weg.
               »Fräulein Eiiiii-Piiink!«, kreischte Thomas, so laut
            er konnte. Seine Stimme überschlug sich und ging in
            bellenden Husten über.
               Es blieb ihm wohl kaum erspart, das Glas Wasser
            selbst zu holen. Er hatte es ja gleich geahnt, diese an-
            geblich  so  netten  Babysitterinnen  ließen  sich  durch
            nichts  stören,  wenn  sie  vor  dem  Fernseher  hockten.
            Griesgrämig begann er aus dem Bett zu klettern.
               Die Chinesin stand plötzlich neben ihm. Sie musste
            lautlos wie eine Katze ins Zimmer gehuscht sein.
               Sofort ließ sich Thomas zurück in die Polster sinken
            und versuchte, möglichst erbarmungswürdig auszuse-
            hen. Vielleicht regte sich  dadurch ihr schlechtes Ge-
            wissen? Schließlich verdurstete er gerade, obwohl sie
            ihn fürsorglich behüten sollte!
               »Möchtest du etwas?«, erkundigte sie sich höflich.
               »Ja, ich bin schrecklich durstig, Fräulein …?«
               »Ai-Lin«, lächelte sie, »ich heiße Ai-Lin!« Sie tippte
            mit  dem  Zeigefinger  auf  seine  Hand.  »Und  dieses
            förmliche Fräulein ersparen wir uns. Sag einfach ›du‹
            zu mir!«
                                                  Urheberrechtlich geschütztes Material
               Thomas nickte. »Ja, gut.« Jetzt wusste er wenigstens
            wieder, wie sie hieß.
               »Ich war gerade in der Küche, um Tee zu kochen.
            Willst du auch welchen? Deine Mutter hat mir zwar er-
            laubt, alles zu benutzen, aber ich habe meinen eigenen
            Tee mitgebracht. Ich denke, du wirst ihn mögen!« Die


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