Page 5 - Margot Horn: Lebensabenteuer
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MeIn Bruder
Kristin stand am Fenster im Wohnzimmer und schaute durch die
Gardine auf die Straße. Arnold sollte längst hier sein, dachte sie.
Plötzlich sah sie, wie zwei Männer aneinandergerieten. Sie be-
fanden sich außerhalb des Lichtkegels der Straßenlampe. Kristin
konnte nicht viel erkennen und schaute sich nach ihrem Handy
um. Sollte sie versuchen, die Polizei oder einen Krankenwagen zu
rufen? Sie drehte sich wieder zum Fenster um. Durch die Gardine
sah sie, wie einer der Männer dem anderen das Knie gegen den
Unterleib stieß und mit der Faust gegen den Brustkorb schlug. Der
getroffene Mann krümmte sich und lief gebückt in die Dunkel-
heit. Der andere Mann schaute an der Hausfassade hoch. Kristin
erschrak und trat vom Fenster zurück.
Sie ging ins Schlafzimmer nebenan. Dort brannte kein Licht. Sie
trat dicht hinter die Gardine und schaute wieder neugierig auf die
Straße. Der zweite Mann schlenderte langsam davon. Kristin woll-
te sich umdrehen und ins Wohnzimmer zurückgehen, als ihr Blick
an einem Liebespaar hängen blieb. Zwei Häuser weiter links stand
das Pärchen unter einer Laterne und küsste sich. Aber dabei blieb
es nicht. Die Liebenden kümmerten sich nicht um den Lichtke-
gel oder ob Passanten in der Nähe waren, sie küssten einander
hemmungslos. Im Lichtschein konnte Kristin alle Bewegungen gut
erkennen und sie war total aufgewühlt. Zuerst die handgreifliche
Auseinandersetzung der beiden Männer und nun diese Intimitäten.
Der Mann griff in die Jacke der Frau, auch unter den Rock, was ihr
offensichtlich gut gefiel. Was soll das werden, dachte Kristin. Es
war niemand auf der Straße – trotzdem, es würde sich doch ein
dunkler Hauseingang finden lassen.
Der Mann drückte die junge Frau gegen den Laternenmast und
bewegte sich erregt. Kristin schüttelte den Kopf und sagte sich:
›Das ist nicht mein Milieu.‹ Sie ging ins Wohnzimmer zurück und
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