Page 14 - Wolfgang A. Gogolin: Als Jesus aus den Wolken fiel
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stand an. Das war auch hier so. Antjes Haare waren auf Krawall gebürstet.
             »Ich soll Staubwischen?«, entrüstete sich der Wirt, als wäre das eine
            Zumutung unverschämtester Weise und wider die männliche Natur.
             »Wenn du glaubst, ich mache das immer, nur weil ich eine Frau bin,
            dann bist du schief gewickelt. Staub wäre rosa, wenn nur Frauen sich
            darum kümmern müssten. Also schrei nicht rum und nimm das …« Ein
            Küchentuch mit Entstaubungsauftrag flog ihm an die Männerbrust.
             »Zicke!«
             »Macho!«
             »Oberzicke!«
             »Es ist mir egal, wie du mich nennst. Hauptsache, ich kann mich bald
            in den Gläsern spiegeln.«
             »Eitle Oberzicke!.«
             »Entstauben. Mach hinne.«
             »Habe ich etwa einen Propeller im Rücken?«
             Zu mehr Gegenwehr kam der Wirt nicht. Brustwarzen waren eine Art
            Außendienstmitarbeiter  und diese  beiden Kerlchen des  propellerlosen
            Mannes stellten sich gerade auf. Er  schluckte. Knospig und knallhart.
            Was ist los?, schrie das Gefahrenzentrum im Hirn. Der Thalamus erhielt
            von der Amygdala eine grobe Skizze der Situation und versuchte, das
            Gefahrenpotenzial zu ermitteln. Das Frühwarnsystem schickte einen Sig-
            nalton. Sollte er gleich mit der Unbill einer Brustwarzenaufstellung an
            die Öffentlichkeit gehen oder den misslichen Umstand für sich behalten?
             »Antje«, der Tonfall des Wirtes wandelte sich. Im Unterton die Anmu-
            tung von Besorgnis. In der Modulation Unsicherheit. Er hob den Kopf
            in Richtung Deichpanorama.
             Wer als Dithmarscherin mit  einem  echten  Dithmarscher verheiratet
            war, musste das Triple-Gen von Hartgesottenheit, Erbarmungslosigkeit
            und Sensibilität in sich tragen. Sonst konnte die Ehe nicht funktionieren.
            Die Wirtin stellte den Frikadellenteller ab.
             »Was ist denn, Peterle?«, flüsterte sie.
             »Ich hab da so ein Gefühl.«
             Antje sah ihren Mann an. Sondierend, suchend bis zum Finden. Ihr fiel
            nur eines ein.
             »Ach, du meine Güte! Doch nicht jetzt. Wir machen gleich auf.«
             Peter Bruns, der durch die Fensterscheiben in die Ferne sah, löste sich
            vom Blick, nahm Antje ins Visier und bemaß ihre Antwort unter Berück-


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