Page 12 - Eva Holzmair: Der Verdrüssliche (Leseprobe)
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- Franz Xaver Messerschmidt, 1736–1783. Maria The-
resia als Königin von Ungarn, 1764–1766 … Die Alte hat
aber net lang regiert.
- Das ist die Entstehungszeit der Statue.
Mit Genugtuung beobachtet Carola, wie das Gesicht
des Burschen signalrot anläuft. Sanft und boshaft zugleich
setzt sie nach:
- Zuerst die Angaben zum Künstler, dann zum Werk. Ist
doch logisch, oder?
Er nickt, während seine Freundin ihn am Ärmel zupft.
Rasch entfernen sie sich. Warum hat sie die jungen Leute
vertrieben? Sie hätte mit ihnen auch über die Statue reden
können. Da, schauen Sie, der Krönungsmantel: Heiligen-
figuren und fechtende Soldaten! Was, glauben Sie, hat sich
Messerschmidt dabei gedacht? War es ein Hinweis, nur
worauf? Oder war es allein die Lust am Fantasieren? So oft
hat sie schon darüber sinniert, ist aber zu keinem schlüssi-
gen Ergebnis gekommen. Vielleicht hätten die beiden einen
frischen, unverbildeten Vorschlag gemacht. Den Versuch
wäre es wert gewesen. Aber sie musste die Kunsthistori-
kerin raushängen lassen!
Carola geht hinüber zum römisch-deutschen Kaiser.
Auch diese Statue ist rätselhaft. Die tradierten Posen offi-
zieller Herrscherporträts hat Messerschmidt übernommen,
doch er interpretierte sie auf seine Weise. Hier die schrei-
tende Gestalt Franz Stephans, dort die leichtfüßig schwe-
bende Figur Maria Theresias, hier der Mann, dort die Frau.
Auch der Umgang mit den Insignien der Macht ist eigen-
willig. Von Franz Stephans kostbar behandschuhten Hän-
den sind sie fest umschlossen, der Reichsapfel sogar theatra-
lisch gegen die Brust gepresst, wohingegen Maria Theresia
recht lässig damit umgeht: der Feldherrenstab quergestellt,
so als ob sie damit jonglieren wollte, der Reichsapfel auf
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