Page 15 - Eva Holzmair: Der Verdrüssliche (Leseprobe)
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brikanten Josef Klinkosch. Er besaß die nahezu komplette
Originalserie, nur, ob der Verdrüssliche darunter war, ist
nicht gesichert. 1889 war das Jahr, als Klinkosch starb und
seine Sammlung versteigert wurde. 1889. Carola blickt sich
um. Jetzt hat sie doch glatt Applaus erwartet, weil ihr auch
das eingefallen ist, aber die Museumswärterin schaut zum
Fenster hinaus, und sonst ist niemand hier.
Vielleicht haben es die Ungeheuer gar nicht auf ihr
Gedächtnis abgesehen, sondern aufs Sprachzentrum? Oder
den Sehnerv? Wenn Carola die Wahl hätte, würde sie …
nein, nichts würde sie. Zwischen Skylla und Charybdis
wird sie in jedem Fall aufgerieben. Skylla mit den sechs
Hundeköpfen, die sich von der einen Seite durch ihren
Körper frisst, und der Strudel der Charybdis, der von der
anderen heranrollt. So geht das nicht! Sie wird ihrem Lun-
genkrebs und seinem Nachwuchs andere Namen geben.
Schließlich muss sie mit dieser Kanaille noch ein kleines
Weilchen leben. Wie wär’s mit Laurel und Hardy? Nein,
das Bild mit den Ungeheuern stimmt schon.
Aufhören! Sie ist hier, um das Hirn durchzuputzen, und
nicht, um es zu belasten. Klare Gedankengänge will sie
haben, keinen Irrgarten mit lauernden Monstern. Carola
öffnet den gespeicherten Link zu den Provenienzangaben
des Getty Museums. Dass da nahezu nichts stimmt, ist ihr
schon heute Morgen aufgefallen. Korrekt ist bloß, dass der
Verdrüssliche von Franz Xaver Messerschmidt geschaffen,
von seinem Bruder übernommen und später an einen Mister
Strantz weiterverkauft wurde. Der hieß doch Strunz, Franz
Friedrich Strunz, nicht einmal das haben die Getty-Exper-
ten hingekriegt. Außerdem war’s nicht der Bruder, sondern
dessen Tochter, die den Verdrüsslichen nebst allen anderen
Charakterköpfen abgestoßen hat, aber bitte, es handelt sich
immer noch um die gleiche Familie. Der Rest der Angaben
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