Page 14 - Eva Holzmair: Der Verdrüssliche (Leseprobe)
P. 14

ein Unterschied! Das Gesicht, ja, das zeigt die Entschlos-
              senheit einer Frau, die Friedrich von Preußen Paroli bie-
              ten musste. Der Kampf um Schlesien hatte bereits begon-
              nen. Aber sonst? Carolas Blick fällt auf die schmale Taille
              der Dargestellten. Auch wenn hier die junge Maria There-
              sia am Tag ihrer Krönung zur Königin von Ungarn gezeigt
             wird, hat ihr Messerschmidt einen ungestüm unschuldigen
             Elan verpasst, der die Erfahrungen dieser Frau ausblendet.
             Mit ihren damals 24 Jahren hatte Maria Theresia bereits vier
             Kinder geboren, eines davon war verstorben. Sie war mit-
              tendrin in den Erbfolgekriegen, angezettelt von Männern,
              die ihren Regierungsantritt nach dem Tod Karls VI. nicht
              akzeptieren wollten. So spielerisch und mit tänzerischem
              Schwung, wie es Faltenwurf und Gehbewegung andeu-
              ten, konnte sie zu diesem Zeitpunkt weder als Frau noch
              als Herrscherin gewesen sein. Nur, was verstand Messer-
              schmidt schon von Frauen! Allein, das tut der außerordent-
              lichen Qualität der Statue keinen Abbruch. Carola wischt
              noch einmal übers Tablet, automatisch und ohne darauf zu
              achten, ehe sie es aus alter Gewohnheit wie ihre vormalige
             Aktentasche unter die Achsel klemmt und über die Prunk-
              stiege hinauf in den ersten Stock des Oberen Belvedere geht.
                Zielstrebig marschiert sie zu einem barocken Tischchen,
              auf dem ein alter Gipsabguss des Verdrüsslichen steht. Der
              echte hätte die Sammlung grandios ergänzt. Warum, ver-
              dammt noch mal, haben ihn die Belvedere-Leute nicht
              gekauft? Und warum hat das Bundesdenkmalamt eine
             Ausfuhrbewilligung erteilt? Kopien von Messerschmidts
             Charakterköpfen gibt es viele. Um die vorletzte Jahrhun-
              dertwende standen sie auf den Kaminsimsen, Schreibti-
              schen oder in den Eingangsnischen bürgerlicher Häuser.
             Die Originale waren in Museen und private Sammlungen
              gewandert, eine der größten davon die des Bronzewarenfa-


                16
   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19