Widerstand in Griechenland und Stein – Die Geschichte von Nikos Mavrakis

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Massaker in der Haftanstalt SteinAm 6. April 1945, wenige Wochen vor der Befreiung, ereignete sich in Stein an der Donau eines der größten Massaker kurz vor Kriegsende. Die genaue Zahl der Toten konnte nie festgestellt werden, auf dem Massengrab in Stein ist von 386 Toten die Rede. Bis heute liegen Tote auf dem Weg Richtung St. Pölten noch immer am Straßenrand verscharrt, ohne beerdigt zu sein.

75 Jahre nach dem Massaker am 6. April 1945 im Zuchthaus Stein (Niederösterreich) hat der Historiker Robert Streibel die Geschichte des griechischen Widerstandskämpfer Nikos Mavrakis in Deutscher Sprache veröffentlicht. Das Buch ist die bisher umfangreichste Schilderung des Überlebenskampfes im Zuchthaus Stein während der Zeit des Nationalsozialismus…

Widerstand in Griechenland und Stein – Die Geschichte von Nikos Mavrakis:

Robert Streibel: Widerstand in Griechenland und Stein - Die Geschichte von Nikos MavrakisAutor: Antonis Sanoudakis
Herausgeber: Robert Streibel
Format: Hardcover
Seitenanzahl: 192 Seiten
Verlag: Verlag der Provinz
Auflage: 1 (2020)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-99028-867-2

Website von Robert Streibel>>>

Klappentext:

Sein Gerechtigkeitssinn hat ihn ins Gefängnis gebracht – zuerst in Griechenland und dann in Stein an der Donau. Nikos Mavrakis’ Leben ist geprägt vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die deutsche Besatzung in Griechenland, vom Willen zu überleben und von einer Liebe, für die selbst Kerkermauern kein Hindernis dargestellt haben. Seine Frau Sofia, die ebenfalls zu zehn Jahren Haft verurteilt und 1944 nach Krems transportiert wird, gelingt es trotz Haft ihrem Mann im nahen Gefängnis Stein aufzuspüren und ihn mit Lebensmitteln zu unterstützen. Nikos Mavrakis überlebt das Massaker am 6. April 1945 in Stein und wird – zurückgekehrt nach Griechenland – als Linker abermals eingesperrt und auf die Gefängnisinsel Makronisos verbannt.

Antonis Sanoudakis hat diese Geschichte 1984 aufgezeichnet. Robert Streibel hat dieses einmalige Dokument eines Unbeugsamen von Nina Bungarten übersetzen lassen und fasst den Stand der Forschung zu den Griechen in Stein zusammen.

Der Widerstandskämpfer Nikos Mavrakis:

Nikos MavrakisGeboren 1915. Offizier an der griechisch-albanischen Front, als Mittelsmann zwischen der griechischen „Nationalen Befreiungsfront“ und den Studenten im besetzten Athen Gewerkschafter in der Hauptniederlassung der Bank von Griechenland. Im Jahr 1943 von der Gestapo verhaftet, kommt er in verschiedene Gefängnisse und ins KZ Chaidari. Von dort startet sein Transport 1944 nach Stein. Er überlebt das Massaker am 6. April 1945 und kehrt noch 1945 nach Griechenland zurück. Er wird abermals verhaftet und auf die Gefängnisinsel Makronisos gebracht. Freigelassen 1950, übersiedelt er mit seiner Familie nach Kreta, wo er und seine Frau 2014 sterben.

Der Autor Antonis Sanoudakis:

Geboren in Hersonisso, in der Nähe von Heraklion auf Kreta. Beide Eltern waren während der deutschen Besatzung im Widerstand in der EAM und ELAS organisiert. Studium der Philologie an der Nationalen und Kapodistrias-Universität in Athen. Honorarprofessor für Geschichte an der Aristoteles-Universität von Thessaloniki. Zwischen 1967 und 1974 schloss er sich der antidiktatorischen Bewegung an, wurde verhaftet und erhielt ein Ausreiseverbot. Er publizierte zehn Lyrikbände, drei Bücher mit Kurzgeschichten und einen Roman. In mehr als 30 Publikationen hat er Zeugnisse von Kämpfern des Nationalen Widerstands dokumentiert, sowie eine Reihe von Studien über Geschichte und Literatur vorgelegt.

Der Autor und Herausgeber Robert Streibel:

Robert Streibel (Autor)Robert Streibel, geboren am 27.1.1959 in Krems a.d. Donau, ist österreichischer Historiker, Autor und Lyriker.

Er studierte in Wien Geschichte, Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und promovierte bei Erika Weinzierl am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Beruflich ist er seit 1987 im Erwachsenen- und Weiterbildungsbereich beim „Verband Wiener Volksbildung“ für Öffentlichkeitsarbeit tätig. Seit 1999 ist er auch Direktor einer Volkshochschule in Wien Hietzing.

Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen von ihm aus historischen Forschungsprojekten zum Nationalsozialismus, zum Judentum und Exil, mit den Schwerpunkten Niederösterreich und seiner Geburtsstadt Krems an der Donau. Außerdem publizierte er in Literaturzeitschriften, einen Gedichtband und Filme. Er ist freier Mitarbeiter der Wochenzeitung Die Furche (Literaturkritik) und der Tageszeitung Die Presse.

Leseprobe aus „Widerstand in Griechenland und Stein“:

Robert Streibel: Widerstand in Griechenland und Stein - Die Geschichte von Nikos Mavrakis (Leseprobe)

Die Ereignisse im April 1945 in der Haftanstalt Stein:

Die Haftanstalt in Stein (1945)

Die Haftanstalt in Stein (1945)

Häftlinge aus ganz Europa waren zwischen 1938-1945 in Stein inhaftiert. Rund ein Viertel waren politische Häftlinge im engeren Sinn, wobei es eine Vielzahl an Delikten gab, die lediglich im Weltbild der Nazis als Verbrechen eingestuft waren. Dazu gehörte die Verfolgung von Beziehungen von Frauen zu Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern ebenso wie das „Schwarzschlachten“ oder die Manipulation an Essenkarten. Für die politischen Häftlinge ging der Kampf gegen das Regime hinter den Kerkermauern weiter: Die Vorbereitung von Nachrichten, das Abhören von Feindsendern, das Schmuggeln von Lebensmitteln, Sabotage.

Durch halb Europa wurden im Sommer 1944 griechische Widerstandskämpfer verbracht, nur um sie nicht freilassen zu müssen. Rund 400 Griechen warteten sehnlichst auf die Befreiung. Häftlinge aus vielen Nationen waren in Stein eingekerkert. Eine große Gruppe stellten auch die Tschechen.

Am 6. April 1945 richteten die militärischen Einheiten ein Blutbad an. Eine besondere Rolle dabei spielte der SA Standartenführer Leo Pilz. Auf die bereits freigelassenen Häftlinge wurde Jagd gemacht. Von St. Pölten bis nach Hadersdorf zog sich die Blutspur der als „Kremser Hasenjagd“ verharmlosten Jagd auf Häftlinge.

In der Nacht vom 6. auf den 7. April und am Tag darauf wurden die Opfer des Massakers in drei Massengräbern im Wäschereihof, die von überlebenden Häftlingen ausgehoben wurden, verscharrt. Jene Toten, die in den Gräbern keinen Platz mehr fanden, wurden in die Donau geworfen. Die meisten dieser “Totenbestatter” fanden nach der Verrichtung ihrer Arbeit ebenfalls den Tod.

Am Tag nach dem Massaker ordnete der neue Direktor der Anstalt Baumgartner die Freilassung von kriminellen Häftlingen an. Die restlichen rund 800 Häftlinge wurden mittels zweier Kohlenschlepper auf der Donau nach Passau und von dort weiter in bayrische Strafanstalten nach Straubing und in das Lager Bernau überstellt.

Exhumierung der in Krems Ermordeten vom 6. April 1945 (Sammlung Robert Streibel)

Exhumierung der in Krems Ermordeten vom 6. April 1945 (Foto: Sammlung Robert Streibel)

Weitere Massaker am 7. und 15. April:

Am 7. April wurden 61 Häftlinge in Hadersdorf von der SS erschossen und beim Friedhof in einem Massengrab verscharrt.

Am 15. April wurden zum Tod verurteilte Häftlinge, die am 5. April bei Herannahen der Roten Armee von Wien zu Fuß nach Stein getrieben wurden, im Hof des Zuchthauses erschossen. Unter ihnen befanden sich unter anderem Vertreter der Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs aus Kärnten und auch 17 Polen von der Nachrichtenorganisation „Stragan“ der polnischen Widerstandsbewegung „Armia Krajowa“.  Neben diesen 44 Hingerichteten aus Wien wurden in diesen Tagen auch noch Todesurteile an drei Kremser Widerstandskämpfern vollstreckt.

Im Keller des Zuchthauses überlebten von mehr als 13 verwundeten Häftlingen, die ohne ärztliche Versorgung zurückgelassen wurden, nur drei die Zeit bis zur Befreiung am 8. Mai. Neben dem Berliner Max Hofmann sind dies der steirische Bergarbeiter Karl Maria Amreich und der griechische Widerstandkämpfer Gerasimos Garnelis.

[Quelle: Robert Streibel: April in Stein]

Weiterführende Literatur:

Robert Streibel: April in Stein

Robert Streibel: April in Stein

Residenz Verlag, 2015
Hardcover und eBook, 264 Seiten
ISBN: 978-3701716494
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Robert Streibel: Die Griechen im Zuchthaus Stein. Versuch einer Bestandsaufnahme. Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft Nr. 1/2020 (März).
http://www.klahrgesellschaft.at/Mitteilungen/Streibel_1_20.pdf

Robert Streibel: April in Stein. Das Massaker im Zuchthaus Stein am 6. April 1945 – Ein Überblick (Stand 2018).
http://streibel.at/april-in-stein/

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOW): April 1945 – Massaker im Zuchthaus Stein.
https://www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1938-1945/april-1945-massaker-im-zuchthaus-stein

Moritz Haghofer: Das Massaker im ehemaligen „Zuchthaus“ Stein und die „Kremser Hasenjagd“ im gegenwärtigen lokalen Gedächtnis. Erhebung und Analyse der Einstellungen zum Gedenken an die NS-Verbrechen im April 1945 bei GeschichtelehrerInnen, GemeinderätInnen und AktivistInnen. Diplomarbeit, Universität Wien, 2017.
http://www.erinnern.at/bundeslaender/niederoesterreich/moritz-haghofer-das-massaker-im-ehemaligen-201ezuchthaus201c-stein-und-die-201ekremser-hasenjagd201c-im-gegenwaertigen-lokalen-gedaechtnis/Diplomarbeit%20Haghofer%20-Veroeffentlichte%20Version.pdf

Konstantin Ferihumer: Der Stein-Komplex. Zur Aufarbeitung von Kriegsendphasenverbrechen des Zweiten Weltkrieges im Raum Stein a. d. Donau. Masterarbeit, Universität Wien, 2012.
http://othes.univie.ac.at/20100/1/2012-04-30_0402684.pdf

Antonia Kreppel in DEUTSCHLANDFUNK: „Kremser Hasenjagd“ in Österreich. Ein NS-Massaker wird totgeschwiegen (2016).
https://www.deutschlandfunk.de/kremser-hasenjagd-in-oesterreich-ein-ns-massaker-wird.795.de.html?dram:article_id=366631

Massaker im Zuchthaus Stein (Wikipedia).
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_im_Zuchthaus_Stein


Hörproben aus dem Buch „Widerstand in Griechenland und Stein“:

Die Geschichte des Nikos Mavrakis (Teil 1):
Die Einführung zur griechischen Ausgabe und den Beginn des Kapitels “Das Leben in Heraklion” liest Robert Streibel.

Die Geschichte des Nikos Mavrakis (Teil 2):
Fortsetzung des Kapitels “Das Leben in Heraklion”. Nikos gewinnt einen Wettbewerb der Bank von Griechenland und beginnt zu arbeiten. Mit dem 28. Oktober 1940 wird Nikos mobilisiert. Der Krieg gegen Italien beginnt.

Die Geschichte des Nikos Mavrakis (Teil 3):
An der Albanischen Front. Der Krieg gegen Italien beginnt. Nikos berlebt eine Lebensmittelvergiftung nur knapp. Der Kampf am Trebesina Massiv und die Auflösung der Division Kreta. Nikos kehrt nach Athen zurück.

Die Geschichte des Nikos Mavrakis (Teil 4):
Athen unter der Besatzungsmacht. Nikos arbeitet in der Bank von Griechenland und hilft mit Suppenküchen zu organisieren. Die große Hungernot in Griechenland 1941/42. Auf dem Weg zur Bank sieht Nikos am Morgen die Toten auf dem Boulevard oder auf den U-Bahn-Schächten.

[Die Audio-Dateien können unter folgendem Link heruntergeladen werden:
http://streibel.at/category/geschichten/geschichten-nikos-mavrakis]


Die Helden von Stein (Video von Piotr Szalsza):

Am 6. April 1945, an der Schwelle zur Freiheit, fast am Ende des Zweiten Weltkriegs, fand im Zuchthaus Stein ein grausames Massaker, dem über 600 überwiegend politische Häftlinge und einige österreichische Justizbeamte der Anstalt zum Opfer fielen.

 

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