Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute: Die Einheit – eine Abrechnung

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Daniela Dahn: Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute: Die Einheit - eine AbrechnungAutorin: Daniela Dahn
Format: Taschenbuch, eBook
Seitenanzahl: 288 Seiten
Verlag: Rowohlt
Auflage: 1 (September 2019)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3499001048
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
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Klappentext:

In sieben Büchern hat Daniela Dahn sich mit der Einheit und den Folgen befasst, ein achtes war nicht geplant. Nun hat sie es dennoch geschrieben, denn die Zeiten sind danach: Nach dreißig Jahren Vereinigung ist die innere Spaltung zwischen Ost und West so tief wie eh und je; und es haben sich sogar neue Klüfte aufgetan, die unser Gemeinwesen erschüttern. Sie haben damit zu tun, dass die vermeintlichen Sieger der Geschichte das Erbe der beitrittsgeprüften „Brüder und Schwestern“ komplett ausgeschlagen haben…

Was hat die „friedliche Revolution“ den Menschen in Ost und West also gebracht? Viele Annehmlichkeiten, sicher, so Daniela Dahn, aber revolutioniert wurde nichts.

Die Geschichte des Anschlusses der DDR ist eine Geschichte von Demütigungen, einer tätigen Verachtung ihrer Kultur, Literatur, Wirtschaft und sozialen Infrastruktur, die immer weiter fortwirkt. Dagegen steht eine geschichtsvergessene Ignoranz, die das Denken in Alternativen entsorgt hat. Erstmals beschäftigt sich die Autorin auch mit der Frage, wie das Ende des sozialistischen Systems die Welt verändert hat.

Die „siegreiche“ Demokratie hat überall an Vertrauen verloren, weil sie von den Eliten, die sie tragen sollen, permanent entwertet wird. Und vor den großen Fluchtbewegungen der letzten Jahre stand die konsequente Weigerung, auch nur ein wenig von dem zurückzugeben, was der „Raubmensch-Kapitalismus“ sich zur Beute gemacht hat.

Für das vereinigte Deutschland zeigt Daniela Dahn: Bevor der Rechtsextremismus die Mitte der Gesellschaft erreicht hat, kam er aus der Mitte des Staates. Aus Teilen des Sicherheitsapparates, der Bundeswehr, der Verwaltung.

Eine gemeinsame Erinnerungskultur, die sich beschönigender oder dämonisierender Legenden verweigert, gibt es in Deutschland noch nicht. Was müsste sie berücksichtigen? Daniela Dahn gibt hier, streitbar und kompromisslos wie immer, mehr als nur Anregungen dazu.

Über die Autorin Daniela Dahn

Daniela DahnGeboren wurde Daniela Dahn 1949 in Ostberlin. Ihr Vater war der renommierte DDR-Wirtschaftsjournalist Karl-Heinz Gerstner, die Mutter die jüdische Kostümbildnerin und Malerin Sibylle Boden, die 1956 die DDR Frauenzeitschrift „Sybille“ ins Leben rief.

Nach dem Studium der Journalistik in Leipzig arbeitete Daniela Dahn für das Fernsehen, verließ es 1981 aber, um freie Schriftstellerin zu werden.

Neben zahlreichen Artikeln, Hörspielen und Filmen sind bisher zwölf Bücher von ihr erschienen. Acht davon befassen sich mit der deutschen Einheit und deren Folgen.

Dahn bilanziert, dass von der Einigung Deutschlands nur einige wenige profitierten. Die meisten Bürger – egal, ob aus dem Westen oder Osten – bezahlen bis heute einen hohen Preis. Das Motto „Märkte schaffen ohne Waffen“ kann vielleicht als Sinnbild einer geschaffenen Währungsunion gesehen werden, nicht aber als eines der materiellen oder mentalen Gleichstellung der Menschen der wiedervereinten Nation.

Obwohl Dahn seit 1972 Mitglied der SED-Partei war, zählte sie 1989 unter anderem neben Rainer Eppelmann zu den MitbegründerInnen der Bürgerbewegung „Demokratischer Aufbruch“.

Daniela Dahn hatte mehrere Gastdozenturen in den USA und Großbritannien. Sie ist u. a. Trägerin des Fontane-Preises, des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik, der Luise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin und des Ludwig-Börne-Preises.

Leseprobe aus „Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute“:

INHALTSÜBERSICHT

Teil I – Geht ein Kamel durchs Nadelöhr

  • Wie der Mauerfall Himmel und Hölle öffnete
  • Was will dieses Buch?
  • Erfülltes und Unerfülltes
  • Besser scheitern: Vereinigungslegenden
  • Unheilbares Deutschland
  • Wahlbeeinflussung und endgültiger Bruch mit dem Sozialismus
  • Eine größere Misswirtschaft als die der Treuhand hat es nie gegeben
  • Was am meisten fehlte: Balance
  • Revolution der Duckmäuser?

Teil II – Keine gemeinsame Erinnerungskultur

  • Stasi forever?
  • Der Waschzwang des Staates
  • Gedenkstätten mit doppelter Gegenwart
  • Ein Wegbereiter des Holocaust als Chef des Kanzleramtes
  • Rechtslastige Signale aus allen staatlichen Institutionen
  • Historisches Gedächtnis im Osten bereinigt
  • Mythos DDR-Antifaschismus

Teil III – Neue schöne Welt

  • Militarisierung des Denkens
  • Medien als Waffe
  • Demokratie heißt auch selber schuld sein

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WIE DER MAUERFALL HIMMEL UND HÖLLE ÖFFNETE

Daniela Dahn: Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute: Die Einheit - eine AbrechnungDie Einheit war eine feindliche Übernahme auf Wunsch der Übernommenen. Für die Sieger war das schönste an der friedlichen Revolution, dass sie nichts revolutionierte. Das Neue bestand darin, den alten Spielregeln beizutreten. Kaufen und sich kaufen lassen.

Dieser Mechanismus funktioniert zuverlässig und gibt keinen Anlass zur Klage. Wer Geld in die Hand bekommt, kann sich nach freier Wahl Wünsche erfüllen, je mehr Geld, je schöner die Erfüllung. Dieses Versprechen ist eingehalten worden. Es hat den meisten Ostdeutschen bis dahin unerreichbaren, wenn auch oft überschaubaren Wohlstand und Bewegungsraum ermöglicht.

Man lässt sie allerdings spüren, dass es ein subventionierter Wohlstand ist, kein selbsterarbeiteter. Wie auch, wenn 95 Prozent des volkseigenen Wirtschaftsvermögens in westliche Hände übergingen. Damit war über den Grad der Abhängigkeit der Neubundesbürger entschieden. Denn nur Eigentum gewährleistet persönliche Sicherheit und geistige Unabhängigkeit – das aus dem antiken Rom stammende Fundament westlicher Funktionslogik erwies sich als immer noch stabil.

Auf diese Steine konnten sie nicht bauen. Die Einheit hatte lange gefälligst als Erfolgsgeschichte zu gelten. Nicht nur in den Großmedien, wohl auch bei der Mehrheit der Menschen in Ost und West und Nord und Süd. Doch die angeblich «nachholende Modernisierung» galt der Kopie eines Systems, das damals längst veraltet war. Und heute von allen Seiten erodiert.

Diejenigen, die sich in der historischen Situation nach Öffnung der Mauer einen fortschrittlichen Schub für das ganze Land erhofften, hatten von Anfang an eine kritischere Sicht. Denn es war abzusehen, wohin das Veruneinheitlichen führen würde: Ein Prozent hyperreiche Haushalte verfügen über ein Drittel des volkswirtschaftlichen Gesamtvermögens.

Die Quittung für soziale Kälte und politisches Versagen ist die AfD. Heute lebt das Prekariat landesweit, von der Bildung der öffentlichen Meinung ist es ausgeschlossen. Auch deshalb konnte die Einheit lange als Erfolgsgeschichte verkauft werden.

Inzwischen ist das Bild gekippt. Solange der Protest von links kam, konnte man ihn «gar nicht ignorieren», wie die Devise war, also vernachlässigen. Was jetzt von rechts kommt, ist nicht nur Protest. Es ist der Versuch, die Macht zu übernehmen. Die Geschichte umzudeuten. Vor Ort Pflöcke zu setzen. Kulturelle Vielfalt zu begrenzen.

Das gelingt in den leergefegten Landstrichen schon beunruhigend. Die Beweglicheren, die Kreativeren sind gegangen. Die Bevölkerungszahl in Ostdeutschland entspricht heute der von 1905. Vorindustriell. Das ist ein Menetekel. Das Leben ist eher postindustriell.

Nachdem die riesigen Kombinate zerschlagen waren, blieben nur verlängerte Werkbänke, Mittel- und Kleinbetriebe, die mittlere und kleine Löhne zahlen. Ein Vollbeschäftigter verdient im Schnitt monatlich immer noch 1000 Euro weniger als im Westen, und das Vermögen ostdeutscher Eltern ist halb so groß wie das der Westeltern.

Auch das ist nicht nur DDR-Erbe, sondern auch Erbe der Vereinigungs-Enteigner. Diese hatten wohl gehofft, durch die subventionierte Kaufkraft würden sich die Ostdeutschen mit der Deklassierung abfinden. Doch die Probleme von heute sind die Rache für die falschen Weichenstellungen des Anschlusses.

Immerhin – die Luft konnte sich erholen. Um anderswo schlechter zu werden. Gerade erst alarmierte die UNO, dass pro Jahr sieben Millionen Tote durch verdreckte Luft zu beklagen seien. Himmel und Hölle…

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Daniela Dahn: Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute: Die Einheit - eine Abrechnung

Rezension zu „Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute“:

Ein äußerst mutiges, klares und aufklärerisches Buch

Daniela Dahn hat mit ihrem letzten Buch ein äußerst mutiges Buch vorgelegt, welches sehr gut recherchiert ist und in kristallklarer Sprache die politischen und ökonomischen Vorgänge seit der sogenannten „Wende“ reflektiert. Da ich der Generation der 60+ angehöre und fast 40 Jahre in der DDR gelebt habe, kann ich die Darstellung und die Schlußfolgerungen sehr gut nachvollziehen bzw. die Autorin spricht mir aus dem Herzen.

Viele der beschriebenen Vorgänge zumindest in Deutschland habe ich selbst erlebt und das gefühlt, was Frau Dahn präzise beschreibt: Die Demütigung und Diskriminierung der DDR- Bevölkerung, die neokolonialistische Deindustrialisierung des Ostens, die neue Geschichtsklitterung, das Überziehen mit einer neoliberalen, scheinbar alternativlosen Ideologie. Alles unter der Überschrift, dass die „Delegitimierung der DDR“ geboten sei (Klaus Kinkel).

Dabei ist die Autorin von einer Beschönigung der DDR weit entfernt, sondern entwirft sehr differenzierte Bilder. Es ist nicht möglich, die Fülle der Gedanken und Ereignisse an dieser Stelle wiederzugeben, manche sind erschütternd, wie z.B. die Darstellung der Hintergründe des Bürgerkrieges im Jemen, aber wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch der Gedanke, dass das Großkapital erbarmungslos seine geopolitischen Interessen verfolgt und dabei zumeist äußerst völkerrechtswidrig handelt und die Ausbeutung von Menschen, irdischen Ressourcen und Weltregionen die vordergründige Motivation z.B. von Kriegen darstellt.

Daniela Dahn stellt sich mit großer Zivilcourage gegen den derzeit herrschenden Mainstream und setzt sich z.b. auch mit dem investigativen Journalismus auseinander, den sie „Lückenpresse“ nennt (welch pfiffige Idee, weil darin natürlich auch die Abgrenzung von dem rechtslastigen Begriff der „Lügenpresse“ liegt. in dem Buch wird schlüssig dargestellt, dass die „Soziale Marktwirtschaft“ eine äußerst temporale Erscheinung war, in der das Kapital sich defensiv verhielt, um die Systemkonkurrenz mit dem Osten zu gewinnen.

Treffend auch die Sichtweise, dass faschistische Tendenzen nicht nur aus prekären Verhältnissen, sondern aus der Mitte gesellschaftlicher Institutionen kommen. Natürlich, sozialistische Ideen werden gehasst, weil sie an die herkömmlichen Besitzstände rühren, was faschistoide Bewegungen nicht im Mindesten tun. Hier muß an die Faschismus- Definition von Dimitroff erinnert werden, der sich ja engagiert mit den Nazis, z.B. im Reichstagsbrandprozess auseinandergesetzt hat (Übrigens wurde die „Dimitroffstr. in Berlin sehr schnell in „Danziger Str. “ umbenannt- ein „kruder Rückfall in die Zwanziger“ wie Peter Hacks treffend spöttelte).

Am Ende des Buches entwirft die Autorin dann eine gute Zukunftsvision: „Eine Gesellschaft, in der … Gemeineigentum dominant ist, die … Überschüsse aus freiem demokratischem Willen in einen Topf werfen kann … würde ein Luxus ganz anderer Art subventioniert: heilig nicht Geld, sondern Solidarität mit Mensch und Tier und Baum und Meer. Kinder first, Alte fürstlich. Loben statt toben, lieben statt loosen. Keine Rüstung aber Entrüstung über Gewalt … usw.

Dieses Buch sei jedem in unserem Lande um die Ohren gehauen!!! Dafür mindestens 6 Sterne.

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Gespräch mit Daniela Dahn über ihr Buch „Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht genügt“

Veröffentlicht am 29.09.7; Dauer: 01:37:3511

Das Buch „Wir sind der Staat! – Warum Volk sein nicht genügt“ ist die brillanteste Demokratie-Analyse der letzten Jahre. Die Autorin Daniela Dahn versteht es meisterlich, die schwer angeschlagene Repräsentative Demokratie als das zu entlarven, was sie in Wahrheit ist. Eine Täuschung.

Getäuscht wird die Bevölkerung. Dass es dabei um politische Macht und wirtschaftlichen Einfluss einer sich selbst als Elite definierenden Gruppe geht, ist eine Binsenwahrheit, doch gelingt es Dahn in ihrem Buch aufzuzeigen, wie dies geschieht, mit welchen Tricks gearbeitet wird. Ihr Buch leistet daher nicht nur das, was man Demaskierung nennen muss, sondern versteht sich auch als Aufforderung. Aufforderung zum Widerstand.

„Occupy the Law“ ist Dahns Quintessenz, denn dass sich 1 % der Gesellschaft derart schamlos an der Leistung der 99 % bedienen kann, wird von selbstgestrickten Gesetzen „legalisiert“. Das Recht in diesem Fall nicht von „gerecht“ kommt, lässt sich nicht länger leugnen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer massiver auseinander.

Daniela Dahn spielt, wenn es um Herrschaftskritik geht, in einer Liga mit Noam Chomsky oder Stéphane Hessel. Auch Sie fordert die Bevölkerungen dazu auf, sich gegen die herrschenden verrechtlichten Privilegien aufzulehnen, bewusst Gesetze zu überschreiten, den zivilen Ungehorsam zu leben, wenn es darum geht, die Repräsentative Demokratie, eine Bevormundung, die heute vor allem durch sogenannte Finanzdienstleister ausgeübt wird, zu überwinden und durch echte Demokratie zu ersetzen.

Im Gespräch mit KenFM macht Daniela Dahn konkrete Vorschläge, wie die Überwindung des aktuellen Herrschaftssystems gelingen kann. Natürlich geht es zu Anfang des Gesprächs auch um die Bundestagswahl 2017. Wer hat hier eigentlich versagt und wer wurde abgewatscht? Wie kann es sein, dass in einem Land, das den größten Niedriglohnsektor Europas errichtet hat, eine Zone der Ausbeutung, die betroffenen Massen sich eher der AfD und FDP zuwenden, anstatt ihre Stimme den Linken zu geben? Wie ist dieser Vertrauensverlust zu erklären? Daniela Dahn nimmt kein Blatt vor den Mund.

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