„FATUM“: Inwieweit haben Klimawandel und Seuchen zum Untergang des Römischen Reiches beigetragen?

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Kyle Harper: Fatum - Das Klima und der Untergang des Römischen ReichesAutor: Kyle Harper
Format: Hardcover, E-Book
Seitenzahl: 567 Seiten
Verlag: C. H. Beck
Auflage: 1 (März, 2020)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3406749339
Übersetzung aus dem Englischen: Anna Leube und Wolf Heinrich Leube

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Klappentext:

FATUM ist das erste Buch, in dem konsequent die katastrophale Rolle untersucht und beschrieben wird, die Klimawandel und Seuchen beim Zusammenbruch des römischen Weltreichs spielten. Gestützt auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Klimawissenschaft und der Genetik erzählt Kyle Harper die Geschichte eines Infernos, in dem wir wie in einem fernen Spiegel beängstigend vertraute Züge unserer eigenen Welt wiedererkennen.

Das Schicksal des Imperium Romanum wurde nicht von Kaisern, Legionären und Barbaren entschieden. Mindestens ebenso bedeutend waren Vulkanausbrüche, Sonnenzyklen, die Instabilität des Klimas und menschenmordende Viren und Bakterien. Kyle Harper führt seine Leserinnen und Leser vom Höhepunkt des 2. Jahrhunderts n. Chr., als das römische Weltreich eine schier unüberwindliche Macht zu sein schien, in die Niederungen des 7. Jahrhunderts, als das Imperium ausgemergelt war, politisch fragmentiert und materiell ausgelaugt. Er beschreibt, wie die Römer lange tapfer standzuhalten suchten, als Umweltveränderungen das ganze Reich niederdrückten – bis schließlich die Folgen der «kleinen Eiszeit» und das wiederholte Auftreten der Pest die Widerstandskraft der einstigen Weltmacht aufgezehrt hatten.

FATUM bietet eine intellektuell ebenso scharfe Analyse wie menschlich anrührende Darstellung der Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. Es ist die Geschichte einer der größten Zivilisationen, die unsere Welt je gesehen hat, in der Zeit ihrer schwersten Herausforderung. Sie muss schließlich vor der zermalmenden Kraft der Naturgewalten in Gestalt von Klimawandel und Seuchen kapitulieren.

Das Beispiel Roms erscheint wie eine Mahnung aus großer zeitlicher Distanz, dass Klimawandel und die Evolution von Krankheitserregern die Welt geformt haben, in der wir leben. Wer die Schrift an der Wand zu lesen versteht, weiß, dass das, was hier profund und überraschend beschrieben wird, sich wiederholen kann.

Über den Autor Kyle Harper:

Kyle HarperKyle Harper ist Professor für Altertumswissenschaften, Senior Vice President und Provost der University of Oklahoma. Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in der Zeit der Spätantike bis zum Frühmittelalter bilden ebenso wie die Umwelt- und Bevölkerungsgeschichte Schwerpunkte seiner Forschungen.

Leseproben aus „FATUM“:

INHALT

ZEITTAFEL
PROLOG: DER TRIUMPH DER NATUR

1: UMWELT UND IMPERIUM

DER ZUSTAND DES RÖMISCHEN REICHS
UNSER LAUNISCHER PLANET
EINE GESCHICHTE DER MENSCHEN

2: DAS GLÜCKLICHSTE ZEITALTER

DER BERÜHMTE ARZT UND DIE BERÜHMTE STADT
DIE AUSMASSE DES IMPERIUMS
DER WOHLSTAND DER VÖLKER
DAS RÖMISCHE KLIMAOPTIMUM
RESILIENZ: BELASTUNG UND BESTÄNDIGKEIT IM RÖMISCHEN REICH
DAS NEUE ZEITALTER

3: APOLLOS RACHE

ARISTIDES UND DAS IMPERIUM: REICH, ABER KRANK
HIN ZU EINER KRANKHEITSÖKOLOGIE DES RÖMISCHEN REICHS
KRANKHEIT, GESUNDHEIT UND STERBLICHKEIT IM IMPERIUM
DIE RÖMER UND GLOBALE NETZWERKE
DIE GROSSE SEUCHE
RESILIENZ UND DAS NEUE GLEICHGEWICHT

4: DAS GREISENALTER DER WELT

TAUSEND JAHRE IMPERIUM
DIE LANGE EPOCHE DER ANTONINEN: DAS IMPERIUM UNTER DEN SEVERERN
DAS GREISENALTER DER WELT: KLIMAWANDEL IM DRITTEN JAHRHUNDERT
DIE CYPRIANISCHE PEST: DIE VERGESSENE PANDEMIE
DIE BLUTGETRÄNKTE FLUT
RESTAURATION UND REVOLUTION
DER WEG ZUM WIEDERAUFSCHWUNG

5: FORTUNAS SCHNELLES RAD

DIE AUSDEHNUNG DES IMPERIUMS
DAS NEUE GLEICHGEWICHT DES IMPERIUMS
DIE ROLLE DER UMWELT
DIE ÜBERGEORDNETE STRUKTUR
DIE NEUE GEOPOLITIK: DER MITTELMEERRAUM VERSUS ZENTRALASIEN
OST UND WEST: UNTERSCHIEDLICHE SCHICKSALE

6: DIE WEINPRESSE DES ZORNS

EINE ZEREMONIE IM HERZEN DES IMPERIUMS
RECONQUISTA UND RENAISSANCE
WIE EIN KILLER ENTSTEHT: EINE NATURGESCHICHTE VON YERSINIA PESTIS
DER GLOBALE KONTEXT: DIE WELT VON KOSMAS
AM RANDE DER AUSLÖSCHUNG DER MENSCHLICHEN SPEZIES
ZWEI JAHRHUNDERTE TOD

Auszug aus dem Kapitel „UMWELT UND IMPERIUM“:

… Der Aufstieg und Fall Roms führt uns vor Augen, dass die Geschichte der menschlichen Zivilisation von Anfang bis Ende ein Umweltdrama ist. Die Blüte des Reichs in den friedvollen Tagen des zweiten Jahrhunderts; das Auftauchen einer Virenart von weit außerhalb der römischen Welt; das Versagen des Staates bei der Versorgung der Bevölkerung in der Folge von Pandemien; der Zusammenbruch des Reichs in einer Verkettung von Klimakatastrophen und Seuchen im dritten Jahrhundert; der Wiederaufstieg des Imperiums unter einem neuen Kaisertypus; die massive Migration quer durch ganz Eurasien im vierten Jahrhundert; das Wiedererstarken der Gesellschaften im Osten in der Spätantike; die Neutronenbombe der Beulenpest; das schleichende Einsetzen einer neuen Eiszeit; der finale Kollaps dessen, was vom Römischen Reich noch erkennbar übrig war, und die blitzschnellen Eroberungszüge der Armeen des Dschihad.

Wenn dieses Buch sein Ziel erreicht, wird es nicht mehr so leicht sein, diese Wendungen der Vergangenheit als etwas anderes zu begreifen denn als die kontrapunktische, manchmal parallele, manchmal gegenläufige Bewegung der Menschheit und ihrer Umwelt, sondern man wird sie als absolut untrennbares Zusammenspiel verstehen, ähnlich den Klanglinien einer barocken Fuge. Das Tempo, in dem unser Wissen zunimmt, ist erfreulich und zugleich beängstigend. Während die Tinte auf diesen Seiten trocknet, ist die Forschung bereits etliche Schritte weiter. Doch damit kann man gut leben, und es lohnt sich, ansatzweise eine vorläufige Karte zu erstellen, die man im Zuge neuer Forschungen zwangsläufig wird ergänzen und korrigieren müssen.

Es ist an der Zeit, die im Schicksal einer Zivilisation wirkenden überwältigenden, unheimlichen Kräfte der Natur erneut zu untersuchen, die uns nach wie vor überraschen und faszinieren. Wir brauchen Geduld und auch Phantasie, um zurückzublicken und so zu tun, als würden wir das Ende nicht kennen. Der Ausgangspunkt liegt bei Roms berühmtestem Arzt, der in der Phase von Frieden und Wohlstand aufwuchs und sich wohl kaum vorstellen konnte, dass dynamische Zyklen unseres nächstgelegenen Gestirns oder die zufällige Mutation eines Virus in weit entfernten Wäldern die Grundlagen des blühenden, weltbeherrschenden Reichs erschüttern könnten, in dem er sein Glück zu machen suchte.

Rezension:

Komplexe Vergangenheit:

In den letzten Jahrzehnten hat die Paläoklimatologie die Geschichtswissenschaft verändert. Durch Gletscherkerne, Stalagtitenwachstum, Dendrologie und Seesedimentkerne kann man das Klima für jedes Jahr der Antike genau bestimmen. Dieses Datum stellt Harper der römischen Geschichte gegenüber und zeigt, dass Klimaschwankungen und Virenepidemien für Aufstieg und Fall des römischen Reiches verantwortlich waren.

Das römische Klimaoptimum dauerte von 200 vZ bis 150 nZ, da ließen es die Westwinde im Mittelmeerraum, in Nordafrika und Ägypten stark regnen. Durch die gestiegene Ernährung wuchs die Bevölkerung auf 60 Mill zur Zeit des Augustus, bis auf 75Mill im Jahr 150 nZ. Die Ausbreitung der Bevölkerung in immer entlegenere Räume brachte immer mehr Kontakt mit Wildtieren und damit gefährliche Seuchen.

Die antoninische Pest um 150 nZ, die Pest um 250 nZ und die justinianische Pest um 550 nZ führten den Staat jedesmal an den Rand des Zusammenbruchs. 160 nZ wurde die Expansion gestoppt, 160 nZ erfing sich das Reich, militarisierte sich aber indem die Senatoren von der Militärführung ausgeschlossen wurden. Ab 400 nZ machte sich die kleine Eiszeit der Antike bemerkbar, die Nomaden drangen nach Westen und lösten die Völkerwanderung aus. Durch El Ninos alle drei Jahre wurde der Monsun in Ostafrika schwächer, die Nilüberschwemmungen blieben immer öfter zu schwach, sodass Ägypten als Kornreserve des Reiches versagte und die militärische und fiskalische Stärke des Reiches geschwächt wurde.

Nach der justinianischen Pest brach auch das Oströmische Reich zusammen. Die Menschen flüchteten in die Religion, Christentum und Islam gewannen an Macht und bekämpften einander.

Ausgezeichnetes Buch, in dem auch Kenner der Römischen Geschichte viel Neues finden!

* Quelle: Rezension von Dr. Rüdiger Opelt, Autor von „Die Legionen des Varus. Wenn die Römer gewonnen hätten“.

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