Esther Bejarano: Erinnerungen – Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts

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Esther Bejarano: Erinnerungen - Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechtsAutorin: Esther Bejarano
Herausgeberin: Antonella Romeo
Format: Taschenbuch
Seitenzahl: 216 Seiten
Verlag: LAIKA
Auflage: 1 (Dezember 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3944233741

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Klappentext:

„Ich habe viel Glück in meinem Leben gehabt, ein ganz großes Glück, ein unheimliches Glück.“ Dies sagt eine Frau von sich, deren Eltern und Schwester von den Nationalsozialisten umgebracht wurden; die selbst die unfassliche Grausamkeit des Vernichtungslagers Auschwitz er- und überlebt hat: Esther Bejarano …

In ihren Erinnerungen, die hier erstmals in deutscher Fassung vollständig vorliegen, erzählt sie in einer einfachen Sprache, die das Ungeheuerliche umso eindringlicher hervorruft, von der Shoa, von großem Leid und Verlust. Doch enden ihre Aufzeichnungen hier nicht: Sichtbar wird auch ihre Kraft, die es ihr ermöglichte, nach und trotz diesen Erfahrungen weiterzuleben.

Nach langem Schweigen ist sie zu einer Kämpferin gegen das Vergessen geworden, die ihre Geschichte an Schulen erzählt und mit den Mitteln der Musik gegen jede Art von Intoleranz angeht …

Die Aufzeichnungen werden ergänzt durch ein Gespräch Esther Bejaranos mit der italienischen Journalistin Antonella Romeo. Mit einem Grußwort der Hamburger Kultur-Senatorin Barbara Kisseler und einem Vorwort des Mailänder Historikers Bruno Maida sowie einer freundschaftlichen Anmerkung der Journalistin und Schauspielerin Peggy Parnass.

Esther Bejarano ist eine wahrhaft außergewöhnliche Frau, die, nachdem sie lange Zeit geschwiegen hatte, seit mehr als dreißig Jahren gegen das Vergessen angeht: Sie, die Auschwitz überlebt hat, hält Vorträge an Schulen, gibt Konzerte, deren Programm für Toleranz und gegen jede Art von Rassismus, Rechtsradikalismus und Ausgrenzung eintritt; sie ist Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, geht auf Demonstrationen.

In diesem Buch sind ihre Erinnerungen versammelt: Sie erzählt von der Shoa, von den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück, von ihrer Zeit als Akkordeonistin im Mädchen-Orchester von Auschwitz. Und sie erzählt von der Befreiung, vom Neuanfang in Israel, wo sie ihren Mann kennenlernt, eine Familie gründet, unter schwierigen Bedingungen eine Ausbildung als Sängerin macht und als Musiklehrerin arbeitet; sie schreibt über die Rückkehr nach Deutschland und darüber, wie sie sehr langsam doch ankommt im Land der Täter, Vertrauen fasst, innige Freundschaften schließt.

Esther Bejaranos unermüdliches Eintreten gegen das Vergessen ist so vielfältig – das Musizieren gemeinsam mit anderen nimmt dabei eine besonderer Rolle ein -, und es ist Zeugnis ihrer tiefen Lebendigkeit, die auch die traumatischen Erlebnisse nicht töten konnten.

Über die Autorin Esther Bejarano:

Esther BejaranoEsther Bejarano, wurde am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Esther Loewy geboren.

Als Tochter eines Oberkantors verschiedener jüdischer Gemeinden wurde sie 1941 in das Zwangsarbeitslager Neuendorf bei Fürstenwalde/Spree interniert und am 20. April 1943 mit allen anderen Insassen des Arbeitslagers und weiteren über 1.000 jüdischen Menschen nach Auschwitz deportiert.

Sie überlebte Auschwitz als Musikerin im weiblichen Häftlingsorchester, dem sogenannten ‚Mädchenorchester von Auschwitz‘. Von Auschwitz nach Ravensbrück verbracht, konnte sie auf einem der folgenden Todesmärsche entfliehen.

Esther Bejarano ist seit Jahrzehnten im Kampf gegen Alt-Nazis und Rechtsradikalismus aktiv, in öffentlichen Reden, Stellungnahmen, Schulbesuchen und als Mitglied verschiedener Musikgruppen, derzeit mit der antifaschistischen und antirassistischen Rap-Band Microphone Mafia.

Sie wurde inzwischen mit zahlreichen Ehrungen bedacht und lebt in Hamburg.

Über die Herausgeberin Antonella Romeo:

Antonella Romeo, 1962 in Turin geboren, ist freie Journalistin und Autorin. Sie hat 17 Jahre in Hamburg gelebt, wo sie u.a. für Die Zeit und für Radio Colonia (WDR) gearbeitet hat.

Von ihr ist das Buch La deutsche Vita erschienen (Hoffmann und Campe, 2004 Hamburg – Edizioni SEB 27, 2007 Torino). Sie lebt seit 2007 wieder in Turin.

Auszüge aus dem Buch „Erinnerungen …“:

INHALTSVERZEICHNIS

  • Barbara Kisseler, Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg
    Grußwort
  • Antonelia Romeo
    Das Mädchen mit dem Akkordeon
  • Esther Bejarano
    Erinnerungen
  • Unbeschwerte Kindheit im Saarland
  • Die Anzeichen des Hasses
  • Die Ulmer Jahre und die erzwungenen Trennungen
  • Angriffe, Untertauchen und Zwangsarbeit
  • Auschwitz
  • Verhängnisvolle Geschehen und glückliche Zufälle
  • Ravensbrück
  • Sieben Mädchen erleben die Freiheit
  • Landung in Palästina
  • Nissim, Edna und Joram
  • Weg von Israel
  • Urlaub in Italien
  • Angst vor den Deutschen
  • Die Rückkehr nach Deutschland
  • Antonella Romeo Im Gespräch mit Esther
  • Peggy Parnass
    Eine große Frau
  • Bruno Maida
    Nachwort

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Antonelia Romeo
DAS MÄDCHEN MIT DEM AKKORDEON:

Esther Bejarano: Erinnerungen - Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechtsEsther Bejarano, geborene Loewy, ist eine Sängerin. Sie ist eine Frau, die die Rassenverfolgung und Ausbeutung in Auschwitz und Ravensbrück am eigenen Leib schmerzhaft erfahren musste. Sie ist das Mädchen, das im Vernichtungslager mit dem Akkordeonspielen begann, um dem Schrecken zu widerstehen.

Sie ist so für Tausende junge Deutsche eine Lehrerin geworden, bei der sie Lektionen über die Geschichte der Nazi-Jahre gelernt haben. Das war und ist ihre Form des Widerstands gegen die Zunahme rassistischer und neonazistischer Strömungen in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas.

Sie hat ein klares Urteil über das vergangene und aktuelle Zeitgeschehen, aber sie spricht immer nur über das, was sie erlebt hat und was sie genau kennt. Sie freut sich immer über ihr Publikum, das ihr bei jedem Auftritt neue Kräfte und Ermutigung gibt.  Mit ihrer Sympathie und Ironie schafft sie es immer wieder leicht, jede Distanz aufzuheben. Nach Monaten gemeinsamen Arbeitens ist sie für mich neben allem anderen hauptsächlich eine Freundin geworden. Esther.

Im Januar 2011 ist Esther zusammen mit ihrer Tochter Edna, ihrem Sohn Joram, den Rappern Kutlu Yurtseven und Rosario Pennino ins Piemont gekommen, um hier erstmals im Ausland das Konzert Per la vita aufzuführen …

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Bruno Maida
NACHWORT

Ich habe lange vor diesen Seiten gesessen und versucht, ein eindeutiges Bild zu finden, das die Geschichte von Esther Bejarano erfasst und wiedergibt. Am Ende habe ich es aufgegeben, denn keines der verschiedenen Charakterbilder – angefangen bei dem vom »Mädchen mit dem Akkordeon«, das durchaus eine wichtige Eigenschaft beschreibt und wirkungsvoll das Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart zusammenfasst – scheint mir imstande zu sein, ein Leben zu erzählen, das nicht leicht einzuordnen ist, das nicht in eine Definition, in einen Käfig gepresst werden kann, aus dem Esther zudem stets entflohen ist.

Das Porträt, das aus ihren Memoiren und aus dem zugehörigen Interview hervorgeht, ist das einer freien Frau, einer oft schmerzlich freien Frau, die auf der Suche nach einer Heimat und einem Leben ist, die gleichzeitig ihren künstlerischen, politischen und menschlichen Leidenschaften gerecht werden sollten. Eine Frau des 20. Jahrhunderts, die ihre Vorstellungen von Leben verwirklichte: in der Berufswelt, in der Familie, im gesellschaftspolitischen Engagement, in der Behauptung individueller und kollektiver Rechte.

Vielleicht liegt gerade hier ein verbindendes Element, ein unterschwelliger roter Faden in ihrem Handeln, in ihren Entscheidungen und an den Wendepunkten ihres Lebens: Ich meine ihren Wunsch nach Klarheit und Konkretheit und ihre Entscheidung, täglich eine Art »zivilen Widerstand« zu leisten, dort, wo er erforderlich ist, unabhängig davon, ob dies Nachteile oder Gefahren für sie birgt …

Wie Esther Bejarano den Naziterror überlebte:

Esther Bejarano: Erinnerungen - Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechtsEsther Bejaranos Bericht über ihren Transport in Viehwaggons ins KZ Auschwitz ist düster und anschaulich. Leute, alte und schwache Menschen – dicht an dicht in den Waggon gepfercht – starben während der Fahrt. Die Lebenden mussten über diese hinweg zum Kübel gehen, um dort ihre Notdurft zu verrichten.

Dass Esther Bejarano das Konzentrationslager überlebte, grenzt an mehrere Wunder. Sie entging der Selektion in den Tod durch den berüchtigten Lagerarzt Dr. Mengele. Glück war es, dass sie in das „Mädchenorchester von Auschwitz“ aufgenommen wurde. Sie konnte zwar Klavier spielen, doch da im Lager keines existierte, sollte sie auf dem Akkordeon – ein Instrument, das sie nie in der Hand gehabt hatte, musizieren. Ihr gelang es!

So spielte sie sogar den seinerzeit bekannten Schlager „Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami!“ von Willi Forst. Als eine studierte Musikerin, das Akkordeon übernahm, da sie viel besser Akkordeon spielte als Esther, besann sich diese darauf, dass sie Blockflöte beherrschte. Dann aber erkrankte sie mit 18 Jahren an Keuchhusten. Und abermals hatte sie Glück in Unglück: die Orchesterleiterin Frau Tschaikowska beauftragte eine Gitarristin damit Esther die nötigsten Griffe beizubringen. Nun spielte Esther auch Gitarre.

Schließlich bot sich Bejarano als „Viertelarierin“ die überraschende Möglichkeit ins Frauenstraflager Ravensbrück überstellt zu werden. Dann kam sie zu Siemens, wo Schalter für U-Boote hergestellt wurden. Über Kommunisten im Lager, die heimlich ein Radio in eine Zimmerdecke eines Blocks eingebaut hatten, erfuhr sie vom Näherrücken der Roten Armee.

Das Lager wurde evakuiert. Wer auf dem Marsch schlapp machte, wurde von den SS-Leuten gnadenlos zusammengeschossen. Als plötzlich nicht mehr geschossen wurde, setzte sich eine Frau nach der anderen ab. Auch sieben Mädchen, darunter Esther Bejarano, verschwanden in der Deckung eines Waldes eins nach dem anderen. Sie erhielten Unterkunft bei einem Bauern. Bald trafen sie auf US-Soldaten, die sie auf ihren Panzern mitnahmen.

Als sie die eintätowierten Nummern auf den Armen der Mädchen umarmten sie die Mädchen. Sie wurden zum Essen eingeladen und sangen zusammen. Ein US-Soldat hatte ein Akkordeon besorgt, dass er Esther schenkte. Plötzlich tauchte die Rote Armee auf. Russen und US-Amerikaner fielen sich in die Arme. Gemeinsam verbrannte man auf dem Marktplatz ein riesengroßes Hitler-Bild. Ein russischer und eine US-amerikanischer Soldat hatte es angesteckt. Esther Bejarano spielte auf dem Akkordeon.
Die Mädchen aus dem KZ und die Soldaten tanzten um das Bild herum.

Bejarano: „Dieses Bild werde ich nie vergessen. Das war meine Befreiung vom Hitler-Faschismus. Und ich sage immer, „ schloss die Autorin, „das war nicht nur meine Befreiung. Es war meine zweite Geburt.“

Esther Bejarano zur Situation in Europa und in Deutschland:

„Wenn sich nicht eine große antifaschistische Bewegung gegen den europaweiten Rechtsruck stellt, sehe ich sehr schwarz.“ Dabei gebe es doch so viele linke Gruppen.

„Jeder kocht sein Süppchen“ Alle zusammentun müssten sich! Selbst wenn irgendwelche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

„Gemeinsam sind wir stark“, heiße es immer, „wo sind wir denn gemeinsam?! Müssen alle gemeinsam an einer Strippe ziehen!“

Quelle: Der Freitag (27.01.2016): Esther Bejaranos Kampf gegen Rechts

Rezension zum Buch „Erinnerungen …“:

FÜR DAS LEBEN

Esther Bejarano, 2016 mit 92 Jahren noch mit der „Microphone Mafia“ auf den Bühnen und in den Schulen Deutschlands unterwegs, um ihre Geschichte zu erzählen, ist nicht nur eine ausgezeichnete Sängerin, sondern auch eine Autorin, die durch ihren unprätentiösen Stil und die lebendige Sprache ihre Leser mitreißt und sowohl Hirn als auch Herz fordert und fördert.

Wir dürfen teilhaben am Leben eines Menschen, der trotz Furcht und Leid, trotz Qualen und Unterdrückung nie aufgegeben hat. Dies wird auch deutlich in den „Erinnerungen“. Bejarano konzentriert sich nicht bloß auf die Gräuel in Auschwitz und die Verbrechen der Nationalsozialisten, sie macht überdeutlich, dass sie niemals die Hoffnung und die Lebenslust verloren hat.

Auch verzichtet sie auf Schuldzuweisungen, so schreibt sie: „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.“

Deshalb ist die kleine, aber unbeschreiblich tapfere und inspirierende Frau auch im hohen Alter noch aktiv. Damit wir aus der Vergangenheit lernen können – und aus purer, unverblümter Lebenslust.

Quelle: Kundenrezension bei Amazon


Auschwitz und heute: Ein Interview mit Esther Bejarano

Veröffentlicht am 28. 04. 2018; Dauer: 01:02:24

Am 10. Februar 2018 interviewte Sven Wurm, Sprecher der IYSSE in Deutschland, in Hamburg die 93-jährige Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. Sie war am Vorabend mit ihrer Band „Microphone Mafia“ vor hunderten Besuchern aufgetreten und hatte aus ihrer Autobiographie „Erinnerungen“ vorgelesen. Wir veröffentlichen hier das Video des Interviews.

Esther Bejarano wuchs im Saarland in einer jüdischen Familie auf. Im Alter von zehn Jahren musste sie 1935 den Einzug der Nationalsozialisten miterleben. Ihre Eltern und ihre Schwester wurden später von den Nazis ermordet. Sie selbst wurde im April 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie als Angehörige des Mädchenorchesters das Todeslager überlebte.

Das Gespräch mit Zeitzeugen dieser abscheulichen Verbrechen ist gerade heute von größter Bedeutung. Die neue Regierung hat die größte Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg beschlossen und übernimmt die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der AfD. An deutschen Universitäten werden die Verbrechen der Nazis verharmlost und die Grausamkeit Hitlers geleugnet.

Esther Bejarano weiß, was Faschismus bedeutet und engagiert sich deshalb seit Jahrzehnten im Kampf gegen Rechts. Regelmäßig besucht sie Schulen in ganz Deutschland, um ihre Erfahrungen im Nationalsozialismus mit jüngeren Generationen zu teilen und über die Verbrechen der Nazis aufzuklären. Mit ihrer Band spielt sie oft mehrere Konzerte pro Woche und tritt dabei der Rückkehr von Rassismus und insbesondere der wachsenden Islamfeindlichkeit entgegen.


Esther Bejarano & Microphone Mafia

Veröffentlicht am 04. 12. 2013; Dauer: 01:14:43

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