„Young Austria“, Kindertransporte und der Widerstand aus dem britischen Exil (1938 bis 1945) – Zeitzeugen im Interview

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In einem Interview mit Sonja Frank erzählen die beiden Zeitzeugen Ernst Fettner und Friedrich Hirl über Kindertransporte ins Britische Exil. Dort fanden viele junge Menschen in der Jugendorganisation „Young Austria“ einen Heimatersatz und setzten sich für den Widerstand gegen Nazi-Deutschland und die Wiederherstellung eines demokratischen Österreich ein…

Sonja Frank (Hg.): Young Austria - ÖsterreicherInnen im britischen Exil 1938–1947

Sonja Frank (Hg.): Young Austria – ÖsterreicherInnen im britischen Exil 1938–1947

Die Jugendorganisation „Young Austria“ wurde im März 1939 in Großbritannien gegründet. Sie bot Heimatersatz, zählte rund 1.300 Mitglieder und war stark mit dem „Austrian Centre“ und dem „Free Austrian Movement“ verbunden. Ungefähr ein Viertel der Mitglieder kehrte nach dem Krieg aus Großbritannien zurück, um am Neuaufbau des demokratischen Österreich mitzuwirken. Prominente Mitglieder waren u. a. der Lyriker und Essayist Erich Fried sowie der Schauspieler und Regisseur Otto Tausig. Trotz manch unterschiedlicher politischer Anschauungen gibt es bis heute gemeinsame Treffen in Wien…

Nach der militärischen Niederlage der britischen Armee auf dem Kontinent – insbesondere bei Dünkirchen – wuchs die Angst vor einer Invasion der deutschen Truppen. Die Exilanten, insbesondere jene aus Deutschland und Österreich gerieten als mögliche „Fünfte Kolonne Hitlers“ unter Verdacht und wurden als „Enemy Aliens“ in verschiedenen Internierungslagern unter anderem auf der Insel Man untergebracht. Viele wurden nach Kanada oder Australien deportiert.
Mit Ende der unmittelbaren Invasionsgefahr wurden diese Restriktionen schrittweise aufgehoben, viele der Exilanten wurden in die britischen Verteidigungsanstrengungen (Rüstungsindustrie, Hilfscorps) einbezogen. Von den ca. 27.0000 Emigranten dienten ca. 3000 Österreicher in Kampfeinheiten der Britischen Armee.

Ernst Fettner:

Ernst Fettner im britischen Exil im Austrian Centre (London, frühe 1940er Jahre)

Ernst Fettner im britischen Exil im Austrian Centre (London, frühe 1940er Jahre)

Ernst Fettner konnte Wien im März 1939 mithilfe verschiedener jüdischer Flüchtlingsorganisationen verlassen. „Einen Tag nach Deiner Abreise“, schrieb ihm sein Vater ins Exil in England, „waren sie schon da, um Dich abzuholen.“ Die Einreise nach Großbritannien wurde ihm unter der Bedingung gewährt, dass er sich verpflichte, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Er verbrachte kurze Zeit in London, arbeitete danach in Südengland und kam schließlich als Landarbeiter in den Norden Schottlands.
Im Austrian Centre in Glasgow kam Fettner mit Young Austria in Kontakt. Für die Young Austria-Wandzeitung war er erstmals als Redakteur tätig. Außerdem schrieb er immer wieder Beiträge für englischsprachige Zeitungen.
Von 1943 bis Juli 1947 war er als Austrian Volunteer Soldat in der Britischen Armee und als Infanterist bei der Befreiung Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Westdeutschlands dabei. 1946 ließ sich Fettner von nach Österreich versetzen, half beim Aufbau der kommunistischen FÖJ mit und begann als Redakteur der KP-Zeitung „Volkswille“ in Klagenfurt zu arbeiten.

Friedrich Hirl:

Friedrich Hirl wurde 1927 in Schwechat, Niederösterreich, geboren. Er erlebte die Zwischenkriegszeit als Kind in einer Familie, die in der sozialistischen Arbeiterbewegung ihre politische Heimat hatte. Nach der Volks- und Hauptschule in Schwechat besuchte er eine Fachschule für Bauwesen in Wien, musste diese Ausbildung aber 1944 abbrechen, weil er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen wurde.
Nach dem Krieg engagierte sich Hirl in der „Freien Österreichischen Jugend“ (FÖJ) und schloss seine Ausbildung als Bauingenieur ab. In der Besatzungszeit arbeitete er in einem USIA-Betrieb. Bis zu seinem Ruhestand wr er als Beamter der Gemeinde Wien im Schulbau tätig.
Im Alter von 83 Jahren hat sich Friedrich Hirl entschlossen, seine Erlebnisse und Erfahrungen als Buch zu veröffentlichen. In berührenden Bildern bettet er seine teils tragische und teils komische Familiengeschichte in die größeren Zusammenhänge der Zeit des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus ein.


Sonja Frank und Albert Hirl im Interview mit den Zeitzeugen Ernst Fettner und Friedrich Hirl:


Aus der Dokumentation „Young Austria“ – Die Zwillinge Helga und Ilse Eichinger:

Die Mutter der Mädchen musste entscheiden, welche ihrer beiden Töchter mit einem Kindertransport in Sicherheit gebracht werden sollte. Eine Tochter (Ilse Eichinger – rechts) hat es geschafft und wurde eine bekannte Schriftstellerin. Die zweite Tochter hat auch überlebt, andere Kinder wurden von den Faschisten im KZ ermordet – z. B. das Mädchen links im Bild. Näheres dazu und zu anderen Fällen im Interview-Video.

Weiterführende Literatur:

Noah Ché Felipe Limmeroth (2019): Allein in der Fremde – Kindertransporte aus Österreich im Nationalsozialismus. Vorwissenschaftliche Arbeit, Wien

Gerda Hofreiter (2010): Allein in die Fremde – Kindertransporte von Österreich nach Frankreich, Großbritannien und in die USA 1938-1941 [Studien Verlag; Taschenbuch, 136 Seiten; ISBN: 978-3706548304]

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